50. Todestag von Lise Meitner (27.10.1968)

RedakteurIn: Gerald Perfler
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An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es alles andere als selbstverständlich, dass Frauen in der Wissenschaft Karriere machten, schon gar nicht in den Naturwissenschaften. Zumeist war ihnen sogar untersagt eine entsprechende Ausbildung zu erhalten. Dennoch gab es einige Frauen, denen dies gelang und die anderen Frauen den Weg ebneten. Eine davon war Lise Meitner, die maßgeblich an der Erforschung der Kernspaltung beteiligt war.

Kindheit und Ausbildung

Lise Meitner wurde im Jahr 1878 in Wien geboren - laut israelitischer Kultusgemeinde am 17. November, laut amtlichen Aufzeichnungen am 7. November. Lise Meitner selbst feierte ihren Geburtstag am 7. November. Da es zu dieser Zeit Frauen nicht gestattet war, ein Gymnasium zu besuchen, blieb ihr nach Abschluss der Bürgerschule 1892 nur der Weg über die Externistenmatura, die sie 1901 erfolgreich ablegte. Im Anschluss daran begann sie mit dem Studium an der Wiener Universität (Physik, Mathematik und Philosophie). Ihr Interesse galt dabei vor allem der Physik und im Speziellen der Radioaktivität. 1906 promovierte sie als erst zweite Frau in Wien im Hauptfach Physik - mit Auszeichnung. Nach Abschluss des Studiums bewarb sie sich bei Marie Curie, wurde aber abgelehnt und blieb somit vorerst in Wien um am Institut für Theoretische Forschung weiterzuarbeiten, ehe sie 1907 beschloss ihre Ausbildung bei Max Planck in Berlin zu vertiefen - finanziert von ihrem Vater, der ihre wissenschaftliche Ausbildung von Beginn an nicht nur finanziell unterstützt hat.

Berlin und Otto Hahn

In Berlin waren die Bedingungen für sie noch schwieriger. Als "unbezahlter Gast" forschte sie gemeinsam mit Otto Hahn, den sie in Berlin kennengelernt hatte und mit dem sie zeitlebens eine enge Freundschaft verband, in einer ehemaligen Holzwerkstatt im Chemischen Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität über die Radioaktivität. Dabei durfte sie das Gebäude nur durch die Hintertür betreten, da das Betreten der Vorlesungs- und Experimentierräume Frauen zu der Zeit noch nicht gestattet war. 1908 verließ Lise Meitner die israelitische Kultusgemeinde und ließ sich nach protestantischem Ritus taufen um der evangelischen Kirche beizutreten. Ab 1909 wurden auch in Preußen Frauen zum Studium zugelassen und die Erfolge, die Hahn und Meitner bei ihren Forschung über die Radioaktivität mittlerweile aufzuweisen hatten, verschafften ihnen eine gewisse Bekanntheit. So wurde ab 1912 am Kaiser-Wilhelms-Institut für Chemie eine eigene Forschungsabteilung für die Erforschung der Radioaktivität eingerichtet, die von Hahn aufgebaut wurde, und an der Meitner - zuerst wiederum unentgeltlich - angestellt wurde. 1913 wurde sie dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt und hatte somit erstmals eine Arbeitsstelle, an der sie auch bezahlt wurde. Zu Beginn des 1. Weltkrieges ließ sie sich zur Röntgenschwester ausbilden, als welche sie ab Juli 1915 in der österreichischen Armee an der Ostfront tätig war. Sie kehrte jedoch bereits im Oktober 1916 wieder nach Berlin an ihren Arbeitsplatz im Chemischen Institut zurück um ihre Forschungen über die Radioaktivität fortzusetzen. 1917 entdeckte sie zusammen mit Hahn das Isotop Protactinium 231 und 1918 erhielt sie eine eigene radiophysikalische Abteilung, deren Leiterin sie wurde. Nach ihrer Habilitation 1922 folgte 1926 die Berufung zur außerordentlichen Professorin für experimentelle Kernphysik an der Berliner Universität, womit sie zur ersten Professorin für Physik in Deutschland wurde. Die Karriere von Lise Meitner schien wie nach Wunsch zu verlaufen. Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernahmen, glaubte Lise Meitner wie viele andere auch, dass keine allzu großen Veränderungen zu erwarten wären. Dem war aber nicht so.

Flucht und Exil

Bereits 1933 wurde Lise Meitner auf Grund ihrer jüdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen und ihren Forschungen konnte sie auch nur mehr am nichtstaatlichen Kaiser-Wilhelm-Institut nachgehen. Als Österreicherin hatte sie jedoch zumindest noch einen gewissen Schutz - allerdings nur bis 1938. Nach der Eingliederung Österreichs in Deutsche Reich, war sie als gebürtige Jüdin denselben Gefahren ausgesetzt, wie alle anderen Juden auch. Aus diesem Grund plante Otto Hahn gemeinsam mit einigen anderen ihre Flucht, die am 13.Juli 1938 erfolgreich abgeschlossen wurde. Lise Meitner konnte über die Niederlande nach Schweden fliehen, wo sie eine Anstellung am dortigen Nobel-Institut erhielt. Nur wenige Monate nach ihrer Ankunft in Schweden berichtete ihr Otto Hahn Ende Dezember 1938 von den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, welches er gemeinsam mit Frtiz Straßmann durchgeführt hatte und in dem sie das wie er es bezeichnete "Zerplatzen" von Urankernen beobachten konnten. Bemerkenswert dabei ist, dass Hahn und Straßmann diese Erkenntnisse nicht anderen Forschern in Deutschland mitteilten, sondern einer geflohenen Jüdin im Exil - keine Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit und nebenbei auch nicht ganz ungefährlich. Lise Meitner erstellte daraufhin mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch, der auch Kernphysiker war, im Februar 1939 eine erste physikalisch-theoretische Deutung, in der auch erstmalig der Begriff der "Kernspaltung" auftauchte. Die Grundlagen der Kernspaltung waren entdeckt und der Weg zu atomarer Energiegewinnung und Entwicklung der Atombombe waren geebnet. Dass diese Entdeckung einen Nobelpreis bekommen würde, war klar, und so kam es dann auch: 1944 wurde für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung der Nobelpreis für Chemie vergeben und zwar an Otto Hahn. Meitner ging genauso wie Straßmann und Frisch leer aus. Obwohl Lise Meitner insgesamt 48-mal für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, auch von Otto Hahn und gleich 6-mal von Max Planck, blieb ihr dieser verwehrt. Nach dem 2. Weltkrieg leitete Lise Meitner die kernphysikalische Abteilung des Physikalischen Instituts der Königlich Technischen Hochschule Stockholm und hatte auch einige Gastprofessuren in den USA. 1950 nahm sie die schwedische Staatsbürgerschaft an - aber nur unter der Bedingung die österreichische behalten zu dürfen. 1960 zog sie nach Cambridge um dort in der Nähe ihres Neffen und dessen Familie leben zu können, wo sie am 27.10.1968 auch verstarb - nur wenige Monate nach Otto Hahn.

Ehrungen

Obwohl Lise Meitner der Nobelpreis verwehrt blieb, erhielt sie dennoch zahlreiche Auszeichnungen, wie etwa die Max-Planck Medaille gemeinsam mit Otto Hahn (1949), den Otto-Hahn Preis (1955), den Ehrenpreis der Stadt Wien für Wissenschaft (1947) und das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1967). Sie wurde als erste Frau Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften und auswärtiges Mitglied der Royal Society in London. So wie es bei verdienten Persönlichkeiten oft der Fall ist, tragen einige Straßen und Schulen ihren Namen, aber auch ein Asteroid sowie je ein Krater auf dem Erdmond und der Venus wurden nach ihr benannt.

 

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Datum: Di. 23.10.2018